Ommersheimer Sagen
Überall, wo Menschen schon jahrhundertelang zusammenwohnten, entstanden Sagen. Denn immer wieder ereigneten sich Dinge, für die niemand eine Erklärung wusste oder wissen wollte.
So waren der Phantasie der Leute keine Grenzen gesetzt, und an den langen Winterabenden, an denen die Frauen am Spinnrad beisammen saßen, wurde das Unerklärliche, das alle mit Furcht erfüllte, durch allerlei Beiwerk ausgeschmückt und weitererzählt.
Bei den alten Bauersleuten, die noch ein Gespür für das Geheimnisvolle in der Natur haben, werden oft noch des Abends die alten Sagen erzählt.
Bei den letzten Häusern der Ziegelhütter gegen Erfweiler zu, beginnt ein schmales Pfädchen, das sich durch den Bettelwald schlängelt, das Diebespfädchen. Uber dieses Pfädchen sollen früher die zum Tode verurteilten Diebe zum Richtplatz, zum Galgen, bei der Gipskaul (Gebkaul) geführt worden sein. Das Jammern und Stöhnen, das heute noch manchmal um die Mitternachtsstunde späte Heimgänger in der Nähe der Ziegelhütte in stürmischen Nächten vernehmen, soll von den Geistern der hingerichteten Diebe sein, die bis jetzt noch keine Ruhe finden konnten.
Vor vielen hundert Jahren, als die Kaufleute noch die reichsten Leute des Landes waren, fuhr einmal ein Kaufmann, um den Weg nach Ormesheim abzukürzen, durch den Bettelwald. Kostbare Schätze befanden sich auf seinem Wagen. Auf dem Wege durch den Wald nun verlor er einen Teil seines Goldes. Der Sturm, der gerade blies, deckte Laub und Holz darüber, so dass kein Mensch etwas von dem Golde wusste. Viele Jahrzehnte später setzten Leute Bäume an jener Stelle, und als sie die Gruben dazu aushoben, fanden sie das Gold. Noch vor einigen Jahren sollen Saarbrücker Leute an jener Stelle wertvollen Schmuck gefunden haben.
Eine Stelle links der Straße, die von Ommersheim nach Heckendalheim führt, heißt „das Rapploch". Dort wohnte früher der Rapplocher, ein etwas eigenartiger Mensch, der sich immer wieder gegen die Obrigkeit auflehnte. Als es eines Tages zum offenen Aufruhr kam, soll er die Aufrührer angeführt haben. Sein Heer wurde aber besiegt, und er selbst soll nach Metz in das Gefängnis verbracht worden sein. Er soll erst wieder frei gekommen sein, als er schwer krank geworden war.
Ein Ommersheimer Mann, der in Oberwürzbach arbeitete, hatte sich eines Tages verspätet und kam, als es schon dunkel war, an der Stelle vorbei, an der heute der Wasserbehälter steht. Da vertrat ihm ein Mann ohne Kopf den Weg. Als der Arbeiter voll Schrecken fliehen wollte, sprang ihm das Gespenst auf den Rücken und ließ sich bis zum Dorfkreuz tragen. Dort sprang es ab, klatschte in die Hände und verschwand. Der Mann soll nicht mehr zu so später Stunde nach Hause gegangen sein. Eine ähnliche Gestalt soll auch auf dem Wege nach Heckendalheim gesehen worden sein.
Vor vielen Jahren war es, damals nämlich, als auf der Klostermühle das Mühlenrad sich noch drehte. Da kamen eines Abends drei junge Burschen aus Ensheim durchs Geerle und gingen Richtung Ommersheim. Sie trugen ihre besten Kleider, und man konnte auf eine bestimmte Absicht ihres Kommens schließen. Ihr Weg führte sie an der Klostermühle vorbei, wo sich das alte Mühlenrad noch munter drehte. Aber seltsam hörte es sich, so schien es wenigstens, unseren drei Wanderern, an diesem Abend an; es schien zu sprechen: Sie lauschten, und ganz deutlich erklang es: „Beißt de Buckel, beißt de Buckel, beißt de Buckel.
Da sie den Worten keinen Sinn geben konnten, gingen sie weiter und hatten bald das Mühlrad der Klostermühle vergessen. In Ommersheim nun wurden sie nicht von ihren Schätzchen erwartet, deretwegen sie ja gekommen waren, sondern von einigen handfesten Burschen gleichen Alters. Und diesen war es zuzuschreiben, dass sie kurze Zeit später schon wieder an der Klostermühle vorbeieilten, diesmal aber in Richtung Geerle. Das Mühlrad sprach und drehte sich immer noch, und sie hörten seinen spöttischen Ruf bis fast zum Geerle hin: „Beißt de Buckel noch, beißt de Buckel noch, beißt de Buckel noch.
Eine Angehörige des Hauses von der Leyen, also der Regentenfamilie des Blieskasteler Ländchens, soll sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert in den schönen Müller Paul Bubel verliebt haben. Der darüber erzürnte regierende Vater verstieß und enterbte sie, da sie nicht davon ablassen wollte, ihren Müller zu ehelichen.
Als einziges Erbgut verblieb ihr nur die verfallene Klostermühle von Ommersheim, die ihr Gatte, eben dieser Paul Bubel, dann wieder aufbauen und betreiben durfte. Im Gegensatz zu einem glänzenden Schloß und Hofhalt hatte nun die gräfliche Müllerin nur mehr eine Küche und Kammer neben einem engen Mahlgang zu ihrer Verfügung. Die Nachkommen dieses ungleichen Paares sollen sich nur in der weiblichen Linie auf der Mühle fortgepflanzt haben.
Nach dem Rückzug aus der großen Hunnenschlacht im Innern Frankreichs starb plötzlich am Rhein der grausame König Etzel. Um die Leiche dieses gewaltsamen Heerführers nicht etwaigen Schändungen durch das gequälte Volk auszusetzen, machte sich ein Trupp Hunnen auf, ihren toten König in eine einsame Gegend zu tragen, um ihn dort auf einem hohen Berg zu begraben. So zogen sie dann westwärts. Im Bliestal blieb der Trupp zurück und nur sechszehn Hunnen trugen den goldenen Sarg weiter, um ihn sicher beizusetzen. Sie kamen in den Bettelwald (bei Dawoshütte um Ommersheim) und da ihnen hier genügend Schutz zu sein schien, begruben sie da Etzel. Dann kehrten sie wieder zu ihren wartenden Kameraden zurück. Die jedoch ergriffen alle sechszehn und schlugen sie tot, da kein Lebender mehr auf der Erde sein sollte, dem die genau Grabstätte König Etzels bekannt war.
Nahe dem Dorfe Ommersheim steht auf freiem Felde auf einer Anhöhe der Nußweiler Hof. Erst 1870 erbaut, gab man ihm einen uralten Namen: den des Dorfes nämlich, das einst hier gestanden haben soll. Die Sage berichtet darüber: Früher standen hier zwei reiche Dörfer. Nußweiler, das gesegnet war mit Nußbaumhainen und ihm gegenüber Lindweiler, das voll prächtiger Linden stand." Die Dorfjugend lag sich im Frühjahr und im Herbst stets in den Haaren. Da wollten im Maien die Nußweiler nach Lindweiler gehen und tanzen und sich freuen am jungen Grün der Linden, deren man wegen der vielen Nußbäume im eigenen Dorfe gar keine hatte.
Aber die Lindweiler ließen sie nicht unter ihren Linden, weil sie den Nußweilern nichts gönnten. Wenn dann im Spätherbst die reifen Nüsse in Nußweiler herniederklatschten und zwar in solcher Menge, dass sie gar nicht wußten, wohin damit, und die nahe Klostermühle der Nassau-Saarbrücker auch Oel davon schlagen mußte, kamen die Lindweiler Buben und Maiden und wollten an dem Segen teilnehmen. Sie rafften und rafften. Aber die Nußweiler nahmen ihnen alles ab und verjagten sie. „Gehet an eure Linden und rafft euch Nüsse", höhnten die Nußweiler. Am Nikolaustage kam der Nikolaus zu den Nußweilern mit Säcken voll Nüssen. Aber zu den Lindweilern kam er mit nichts. „Ging euch nur der Teufel mal holen, samt euren Nußbäumen", fluchten dann die Lindweiler. Und wenn der Winter vorüber war, und die Linden wieder ewig jung grünten und blühten, wollten die Nußweiler Liebespaare wieder duftige Maien- und Juninächte in Lindweiler unter deren Gottessegen erleben. Da ging der alte Hader wieder weiter. „Der Teufel soll euch holen, samt euren Linden", verwünschten dann die Nußweiler ihre Nachbarn. So ging es von Jahr zu Jahr. Endlich brach der Dreißigjährige Krieg aus und die Schweden zerstörten die beiden Dörfer, dass sie vom Erdboden verschwanden mit Nuß- und Lindenbäumen. Auf dem Nußweilerhofe steht noch heute der Ziegelbrunnen, in dem man bei Neufassungen schon verschiedentlich Ziegelmauerwerk fand (daher sein Name.) Er soll eines der Dorfbrunnen der Nußweiler gewesen sein. Viel hat er schon gesehen und gehört, aber erzählen tut er nichts davon. Und auch die Nassau-Saarbrücker Klostermühle, die einen Steinwurf weit weg im Tale gestanden haben soll, ist längst verschwunden.
Auf dem Bergrücken von Aßweiler nach Ormesheim zu ist es besonders in der Gegend der Dawos Hütte (einem heute zu Ommersheim gehörenden Weiler) unheimlich. Soll doch hier im Bettelwald der Hunnenkönig Attila an einem noch unbestimmten Ort in einem goldenen Sarg beigesetzt worden sein. Und deshalb gab es nicht wenige Leute, die schon hier nach Gold gesucht haben. Dieser Ort wurde noch im vorigen Jahrhundert bei Nacht allgemein gemieden. War jedoch einmal jemand gezwungen, doch nächtens durchzugehen, dann setzte sich von der Ritterstraße an einem Waldwege und ehemals wohl einer römischen Straße, die sich über den Höhenrücken quer durch den Wald zieht ein schwerer Geist auf die Schulterr der ihn nicht verließ, bis er zum Moldermichelsgarten kam, der am Dorfende des eine Stunde entfernten Heckendalheim liegt. Ob der Geist der des verstorbenen Moldermichels oder gar der des Hunnen auf dem Berge ist, steht nicht fest, jedenfalls hat er manche geritten, die aber wie man heute noch erzählt, nur ungern von dem „schweren Erlebnis" berichteten.
Viel erzählt man sich auch vom „Nußweiler Bann", eine Gemarkung der Heckendalheimer Bauern. Darin sollen, wie in der benachbarten „Lindwei1er" Gemarkung, ehemals wieder zwei reiche Dörfer gestanden haben, Nußweiler im Schatten seiner mächtigen alten Nußbäume und ihm gegenüber Lindweiler, das voll prächtiger Linden grünte. Und beim Dorf Ommersheim erhebt sich auf einer Höhe auch noch der Nußweiler Hof, dem man, obwohl erst 1870 erbaut, doch diesen uralten Namen zur Erinnerung gab. Der „Nußweiler Bann'/ aber liegt auf der linken Seite der Kirkelbach, das
Ensheimer „Geerlen" ein unheimlicher düsterer Wald von dunkelnden Tannen ,auf der rechten Seite. Von Nußweiler also herauf kommt an bestimmten Tagen ein Pferd ohne Kopf gegen Heckendalheim zu. Auch sitzt ein Reiter darauf, der jedoch nicht zu erkennen ist.
Eine Bauersfrau von Heckendalheim erzählte mir auch noch unlängst von einem sonderbaren Erlebnis, dass sie auf Nußweiler als keines Mädchen hatte. Sie war damals an einem Sonntagmorgen mit den Kühen auf der Weide, als plötzlich von Nußweiler herauf die „Proforschjagd" angesaust kam. Sie hörte deutlich in der Luft ihr lautes Hundebellen, das Pferdegetrampel und „Hjüh" rufen. Die ganze Jagd kam auf sie zu, die Kühe jagten mit „peelricht" aufgerichteten Schwänzen davon, doch da war die „Proforschjagd" schon über sie hinweg. Ihr Vater, das war mein Großvater, war höchst erstaunt daheim, als er plötzlich die Kühe den Hanfberg herabrasen sah. und konnte keine Erklärung finden, bis seine Tochter atemlos und halb zerschlagen auch zu Hause ankam.